Im Gespräch: Otfried Herling (Ortsinnenentwicklung)
Der Projektkoordinator des Verbundvorhabens „Ortsinnenentwicklung“ über die ersten 15 Projektmonate.

Die Projektpartner im Verbundvorhaben „Ortsinnenentwicklung“ erproben Instrumente, mit denen die Entwicklung der Ortszentren in den hessischen Modellkommunen Butzbach, Nidda und Ortenberg zu einer strategischen Daueraufgabe wird. Das Ziel ist es, statt eines Soloinstruments ein abgestimmtes Orchester an Instrumenten bereit zu stellen. Die Projektbeteiligten untersuchen bestehende Planungsinstrumente und fügen diese zu einer zukunftsfähigen und an die lokalen Bedürfnisse angepassten Strategie zusammen.
Otfried Herling ist Bauamtsleiter in der Stadt Butzbach und Verbundkoordinator des Vorhabens. Er berichtet von den Herausforderungen der ländlichen Modellkommunen im Einzugsbereich einer Großstadt und gibt einen Einblick in die neuen Lösungsideen, die im Rahmen der Fördermaßnahme „Kommunen innovativ“ verfolgt werden.

Herr Herling, im Fokus Ihres Verbundvorhabens „Ortsinnenentwicklung“ steht die zukunftsfähige Entwicklung der Ortszentren in den Modellkommunen. Welche neuen und innovativen Wege beschreiten Sie hier?
„Ortsinnenentwicklung hat für uns Vorfahrt.“ Diese These bezeugt den Willen zur zukunftsfähigen Entwicklung unserer Ortszentren. Das Projekt verfolgt in diesem Sinne eine Regionalstrategie für die Ortsinnenentwicklung in der Leader-Region Wetterau/Oberhessen. Eine Entwicklung nach dem Prinzip „Innen vor Außen“ wird moderiert und diskutiert. Die hieraus entstehende Regionalstrategie entwickeln wir sowohl im intra- wie aber auch vor allen Dingen im interkommunalen Kontext. „Eigenständig, aber nicht allein“ heißt hier die klare Botschaft.
Die Verbundenheit der Menschen in der Region wird von uns mit hoher Priorität einbezogen. Das erfordert den ständigen Dialog in den Kommunen und auch zwischen den Kommunen mit den Bürgerinnen und Bürgern und soll zu Projektentwicklungsideen führen, um soziale Dorfentwicklung, neues Bauen im Dorf, modernes Wohnen in alten Gebäuden, Revitalisierung von Kommunikationsorten und zeitgemäße Wohnumfeldgestaltung attraktiv zu gestalten. Beispielsweise über Standorteigentümergemeinschaften, denn großflächige Gebäudestrukturen weiterzuentwickeln ist für den Einzelnen zu teuer. Hierzu ist das Bewusstsein sowohl bei den Entscheidungsträgern wie auch bei den Bürgern und den Grundstückseigentümern zu schaffen.

Welche Herausforderungen bestehen in Ihren Modellkommunen Butzbach, Nidda und Ortenberg?
Der demografische Wandel ist durch seine Folgen eine Herausforderung für die Modellkommunen. Gestalterisch wollen wir aktiv mit Baulücken, aktuellen und potentiellen Leerständen und weiteren Innenentwicklungsflächen wie ehemaligen Versorgungs-/Infrastrukturflächen umgehen. Gleichzeitig erzeugt die geografische Lage in der Metropolregion Frankfurt-Rhein-Main einen hohen Siedlungsdruck und damit eine einmalige Chance mit vielfältigen Entwicklungsperspektiven. Das ermöglicht beispielsweise kurz- und mittelfristig eine Optimierung der digitalen und infrastrukturellen Angebote im Fokus regionalstrategischer Entwicklungsprozesse.
Bei all dem gilt es aber, das Engagement und die aktive Mitwirkung der Menschen vor Ort zu aktivieren. Über Beteiligung befördern wir die Bewusstseinsbildung und Verantwortungsübernahme der Bürgerinnen und Bürger. Dialoggeführte Planungsprozesse sind deshalb kontinuierlich zielorientiert und mit Verbindlichkeit zu führen.

Sie sind Verbundkoordinator im Verbundvorhaben „Ortsinnenentwicklung“. Was hat Sie und Ihr Team zur Teilnahme an der Fördermaßnahme „Kommunen innovativ“ bewegt?
Die Leader-Region Wetterau/Oberhessen besteht seit 2015 und hat den Impuls für die Teilnahme an der Fördermaßnahme gegeben. Wichtiger Bestandteil des zugrundliegenden Regionalen Entwicklungskonzepts (REK) ist das Handlungsfeld „Dörfer und Städte, Daseinsvorsorge, Soziales, Kultur“. In der Fördermaßnahme „Kommunen innovativ“ haben wir die Chance, mit unserem Projekt „Ortsinnenentwicklung“ diese Ziele weiterzuverfolgen. Dabei ist es eine herausragende Gelegenheit, spezielle Fragestellungen mit Unterstützung durch die Forschung zu beantworten. Die Kooperation mit der Wissenschaft ermöglicht neue Erkenntnisse und Einschätzungen zu Planungsinstrumenten; ebenso zu planerischen Fragestellungen mit wissenschaftlichem Bezug.

Als Bauamtsleiter in Butzbach nehmen Sie im Verbundvorhaben die Perspektive der Kommune ein. Welche neuen Impulse setzt die Kooperation mit Ihrem wissenschaftlichen Verbundpartner, der Justus-Liebig Universität Gießen (JLU)?
Die JLU Gießen berät uns wissenschaftlich gut in den Forschungsfragen. Die Kooperation bietet Vorteile für alle – beispielsweise für die Lehre: Für Studierende sind Bestandserhebungen und Analysen integrierter Bestandteil des Studiums und dass sie in unserem konkreten Bezug mit praxisrelevanten Echtdaten arbeiten können, sehe ich als Gewinn und Qualität des Studiums. Diese Leistungen und Arbeitsergebnisse nutzen wir gerne, denn diese Erkenntnisse wären sonst nur durch aufwändige ingenieurtechnische Beauftragungen möglich. Das Engagement der JLU an diesem Forschungsprojekt eröffnet uns darüber hinaus neue Perspektiven und einen Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen und Studien, den wir als Praktiker nicht hätten.

Wo stehen Sie im Projekt gegenwärtig und was haben Sie am Ende der Fördermaßnahme „Kommunen innovativ“ in Ihren Modellkommunen erreicht?
Zur Halbzeit nach 15 Monaten sind in allen Modellkommunen die vorbereitenden Arbeitsschritte zu den jeweils relevanten Aspekten der Ortsinnenentwicklung abgeschlossen. Mit diesen Ergebnissen werden gegenwärtig Kommunalstrategien für die Modellkommunen erarbeitet. Darauf folgt 2018 die Regionalstrategie. Ziel ist es, einen Instrumentenkoffer zusammenzustellen, der hilft, eine kontinuierliche Ortsinnenentwicklung in der Region zu verstetigen.
Die gute Kommunikation zwischen den Kommunen, den Fachbehörden und Akteuren vor Ort ist hierfür wichtig. In den Kreisen der Fachakteure und Bürger ist das Bewusstsein für die Ortsinnenentwicklung in ihren Dörfern bereits gewachsen und sie übernehmen Verantwortung dafür. Dazu schließen wir noch 2017 Qualifizierungsmaßnahmen mit ehrenamtlich aktiven Akteuren – sogenannten Dorfmanagern – ab. Wir arbeiten in unserem Verbundprojekt aber vor allem querschnittsorientiert und aus diesem Grund ist der Austausch mit anderen Projekten innerhalb der Fördermaßnahme „Kommunen innovativ“ für uns sehr wertvoll. Mit unserem Ziel einer gemeinsamen Regionalstrategie und übertragbaren Ansätzen zu den vielfältigen dorfentwicklungsrelevanten Handlungsfeldern und -prozessen freuen wir uns letztendlich einen Beitrag zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung zu leisten.

» Weitere Informationen zum Projekt „Ortsinnenentwicklung“ finden Sie auf der Webseite der Fördermaßnahme unter » www.kommunen-innovativ.de/ortsinnenentwicklung

 

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