Im Gespräch: Projektergebnisse und -erkenntnisse aus der Perspektive der Kommunen
Im Jahr 2019 wird der Förderzeitraum für die ersten Verbundvorhaben von "Kommunen innovativ" nach drei Jahren enden. Wo stehen die Verbundvorhaben und welche Ergebnisse wurden gewonnen?

Antworten auf diese Fragen geben Peter Brautmeier aus der Stadt Herten (Verbundvorhaben "DeWaK") und Ute Bönisch, Ilm-Kreis (Verbundvorhaben "KOMET"). Aus dem Blickwinkel der Kommunen betrachten sie, welche Ergebnisse in den Verbundvorhaben entstanden sind, welche Ziele mit den Vorhaben erreicht wurden und wie die Zusammenarbeit von kommunalen und wissenschaftlichen Partnern im gemeinsamen Forschungsprozess wirken kann.

Peter Brautmeier arbeitet in der Stadt Herten und leitet das Verbundvorhaben "DeWaK" auf kommunaler Seite. Im Projekt werden neue Organisations- und Finanzierungsmodelle für soziale Einrichtungen auf kommunaler Ebene entwickelt und erprobt. Hierfür entstehen in zwei Modellkommunen konkrete Einrichtungen. In Herten: Ein "Zentrum für soziale Integration" als eine Anlaufstelle für Menschen in schwierigen Lebenslagen in der südlichen Innenstadt.

Der Ilm-Kreis ist Verbundkoordinator im "Kommunen innovativ"-Vorhaben "KOMET". Ute Bönisch ist Mitarbeiterin im Büro der Landrätin und ist zuständig für das Projekt, in dem acht thüringische Gemeinden ihre Siedlungsplanung und Ortsentwicklung zukünftig gemeinsam verfolgen.

 

Herr Brautmeier und Frau Bönisch, welche Ansätze verfolgt Ihr Verbundvorhaben, um mit den Auswirkungen des demografischen Wandels umzugehen

Peter Brautmeier – "DeWaK ": Der demografische Wandel in Herten unterliegt einigen Besonderheiten: Herten ist eine ehemalige Bergbaustadt, die sich seit fast dreißig Jahren im Strukturwandel befindet. In der Folge hat Herten eine der höchsten Arbeitslosenquoten des Ruhrgebiets. Daraus ergibt sich, dass junge Menschen oft wegziehen, um woanders Arbeit zu suchen. Außerdem kommen Studierende nach ihrem Studium meist nicht nach Herten zurück, weil sie hier nur schwer einen qualifizierten Arbeitsplatz finden. Daraus folgt, dass die Entwicklung zu "älter, bunter, weniger" in Herten eine besondere Dynamik hat - und ergänzt werden kann um das Adjektiv "ärmer".

Durch eine besser aufeinander abgestimmte Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Akteure im Feld der sozialen Arbeit versuchen wir mit dem DeWaK-Projekt einen Ansatz zu finden, die in der Hertener Innenstadt besonders konzentrierte Armut zu bekämpfen, den Bewohnern der Innenstadt neue Perspektiven aufzuzeigen und sie zu aktivieren.

Ute Bönisch – "KOMET": Unser Vorhaben verfolgt einen regionalen Ansatz. In unserem Modellraum, bestehend aus mehreren benachbarten Kommunen im UNESCO-Biosphärenreservat Thüringer Wald und dessen unmittelbarer Nachbarschaft, initiieren wir einen neuen Prozess, um den demografiefesten Umbau der Siedlungen und der Infrastruktur durch geeignete Maßnahmen zu gestalten. Zum Projekt gehören die Mobilisierung von Bürgerschaft und Wirtschaft, die interkommunale Vernetzung der Akteure, die gemeinsame Entwicklung von Konzepten für eine kommunenübergreifend abgestimmte, nachhaltige Siedlungsentwicklung sowie die Entwicklung innovativer Instrumente und Maßnahmen zur Bewältigung des Umbaus.

 

Welche Erkenntnisse sind in Ihrem Verbundvorhaben bisher entstanden?

Peter Brautmeier – "DeWaK ": Wir haben zunächst ein Netzwerk aller Akteure geknüpft und sie mit den wissenschaftlichen Verbundpartnern zusammengebracht. Dabei haben wir entdeckt, dass es vor Ort bereits viele positive Aktivitäten und Ansätze gibt, die aber zum Teil nebeneinander existieren und den Betroffenen oft nicht bekannt sind. Wir haben daraus die Forderung abgeleitet, ein Sozialmanagement für die Innenstadt zu installieren, dessen Hauptaufgabe es ist, die verschiedenen Aktivitäten zu koordinieren. Außerdem gilt es, die Erfolge der einzelnen Maßnahmen regelmäßig zu evaluieren, um Fehlallokationen der knappen Mittel zu verhindern. Um unser eigentliches Ziel - die Errichtung eines Zentrums für Soziale Integration - zu erreichen, müssen wir aber noch "dicke Bretter bohren".

Ute Bönisch – "KOMET": Eine nachhaltige Siedlungsentwicklung erfordert eine komplexe Herangehensweise, die auf den lokalen Stärken aufbaut. Zudem gilt, es verschiedene Bevölkerungsgruppen gleichermaßen im Blick zu behalten: Im Umgang mit Leerstand im peripheren ländlichen Raum wie bei uns, ist die Entwicklung altengerechter Wohnformen ebenso wichtig wie Wohnperspektiven für junge Familien. Viele Problemstellungen, wie z.B. Fachkräftemangel und Mobilitätsdefizite sind dabei interkommunal anzugehen.

Wir beobachten, dass konkrete sichtbare Projekte, wie z.B. KOMET-Berufsinfomesse und Mitfahrbank-Netz in acht Modellkommunen, motivieren und bei der Aktivierung helfen. Zudem scheint es, dass Mitwirkung gelernt werden muss: Vorerfahrungen mit Bürgerbeteiligung im eigenen Ort sind eine gute Grundlage für Aktivierung und Mitwirkungsbereitschaft der Bürgerschaft, gerade auch im interkommunalen Kontext.

 

Sie sind der kommunale Partner in dem Verbundvorhaben. Welche Rolle übernehmen Sie im Projekt konkret und wie schätzen Sie die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft ein?

Peter Brautmeier – "DeWaK ": Ich bin für die Stadt Herten der Projektleiter und arbeite eng mit unserer Projektmitarbeiterin Carolin Wenzel an der Umsetzung unserer Projektziele. Die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern war für den Projektfortschritt von großer Bedeutung. Insbesondere die finanziellen und betriebswirtschaftlichen Möglichkeiten und die stadtplanerische und architektonische Umsetzung benötigen wissenschaftlich fundierten Input. Daher finde ich die Grundkonzeption dieses Projektes sehr gelungen und unbedingt fortsetzungswürdig.

Ute Bönisch – "KOMET": Als Landkreis unterstützen wir die interkommunale Zusammenarbeit mit dem Projekt aktiv. Kreisliche und lokale Entwicklungen können erst so stimmig gestaltet und miteinander vernetzt werden. Kommunen in Haushaltssicherung konnten wir durch Übernahme von Eigenanteilen helfen, so dass sie sich nun gemeinsam mit den Nachbarorten entwickeln können und so gleichberechtigter Bestandteil der Gesamtregion geworden sind. Durch das Modellvorhaben werden zudem die Bedürfnisse des ländlich-peripheren Raumes und übertragbare Handlungsansätze auf der Kreisebene bewusster und detaillierter wahrgenommen.

Der Blick von außen - der fachlich-wissenschaftliche Input, die überregionalen Fachforen sowie die Mitarbeit an konkreten Projekten durch die Bauhaus-Universität Weimar als Wissenschaftspartnerin - bringen neue, konstruktive Handlungsansätze in den verschiedensten Themenfeldern (Leerstand, Mobilität, Land/Wirtschaft…) in die Diskussion ein. Auch die Datenrecherchen, die in Semester- und Studienarbeiten erfolgten, helfen uns bei der thematischen Arbeit vor Ort.