Im Gespräch: "Verwaltung 2.030" und "bergisch.circular"
Im Gespräch: "zirkulierBAR", "Zusammenhalt hoch drei" und "RealWork"
"Unruhige Zeiten" – auch für die Verbundvorhaben
Vertreter*innen der Verbundvorhaben "zirkulierBAR", "Zusammenhalt hoch drei" und "RealWork" erläutern wie die Projektarbeit von unvorhersehbaren Veränderungen beeinflusst wird und wie sie darauf reagieren.

Corona-Pandemie, Ukrainekrieg, Klimawandel, Lieferengpässe, Fachkräftemangel – die aktuell geförderten Verbundvorhaben in den Fördermaßnahmen "Kommunen innovativ" und "REGION.innovativ – Kreislaufwirtschaft" arbeiten in unruhigen Zeiten, die erfordern, in der Projektarbeit auf sich verändernde Rahmenbedingungen zu reagieren und gegebenenfalls umzusteuern.

Im Gespräch erläutern Dr. Ariane Krause (Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) e.V., Verbundvorhaben "zirkulierBAR"), Dr. Michael Kolocek (Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH, Verbundvorhaben "Zusammenhalt hoch drei") sowie Dr. Shahrooz Mohajeri und Gesine Wilbrandt (beide inter3 Institut für Ressourcenmanagement, Verbundvorhaben "RealWork"), wie unvorhersehbare Veränderungen die Arbeit in ihren Vorhaben beeinflussen und wie sie in den Verbünden darauf reagieren.

Dr. Ariane Krause (Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) e.V., Projektkoordinatorin "zirkulierBAR" (REGION.innovativ - Kreislaufwirtschaft))

Dr. Michael Kolocek (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung gGmbH, Verbundkoordinator "Zusammenhalt hoch drei" (Kommunen innovativ))

Dr. Shahrooz Mohajeri (geschäftsführender Gesellschafter bei inter3 Institut für Ressourcenmanagement, Verbundkoordinator "RealWork" (Kommunen innovativ))

Gesine Wilbrandt (Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei inter3 Institut für Ressourcenmanagement, Verbundvorhaben "RealWork" (Kommunen innovativ))

 

Welche Rahmenbedingungen haben sich in Ihrem Verbundvorhaben geändert? Welche Auswirkungen hat dies auf Ihre Arbeit?

Michael Kolocek (Zusammenhalt hoch drei): Das Vorhaben „Zusammenhalt hoch drei“ untersucht und stärkt den sozialen Zusammenhalt in vom Braunkohletagebau betroffenen Dörfern im Rheinland, unter anderem in einem Umsiedlungsstandort, in den Menschen aus den sogenannten „alten Dörfern“ Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath gezogen sind. Nun sollen diese „alten Dörfer“ doch erhalten bleiben. Für die bereits umgesiedelten Bewohner*innen kommt die Entscheidung zu spät und erzeugt Frust und weitere Unsicherheiten. Zur Stärkung des Zusammenhalts wollen wir eine positive Grundstimmung in der Bewohnerschaft erzeugen und gemeinsam in unterschiedlichen Reallaboren optimistisch über lokale Zukunftsprojekte nachdenken. Durch die neuen Rahmenbedingungen wird dies erheblich erschwert.  

Ariane Krause (zirkulierBAR): Unser Verbundvorhaben „zirkulierBAR“ ist von der globalen Situation betroffen. Wie bei vielen Bauvorhaben sind die stetig steigenden Preise für Baumaterialien eine große finanzielle und planerische Herausforderung. Weiterhin haben der Dürresommer 2022 sowie die aktuelle Gaskrise, die u.a. dazu führte, dass Stickstoffdüngerwerke (vorrübergehend) schließen mussten, die Rahmenbedingung für unser Thema verändert. Das Bewusstsein in Politik und Gesellschaft ist stark gewachsen, sozio-technische Innovationen auch für das „stille Örtchen“ werden dringend gebraucht. Da es um Wasser sparen und Nährstoffe recyceln geht, bekommt die Trockentoilette derzeit große Aufmerksamkeit. Auch intern haben sich Rahmenbedingungen geändert, da der Partner für externe Kommunikation aus dem Verbund ausgestiegen ist.

Shahrooz Mohajeri (RealWork): Unerwartete Ereignisse beeinflussen unser Verbundvorhaben „RealWork“ auf drei Ebenen. Auf der unternehmerischen Ebene ist seit der Pandemie Vieles in Bewegung. Menschen wollen ihr Arbeitsleben umgestalten und wechseln Jobs. Unternehmen sind gefordert, Personalentwicklung neu zu denken und die Chancen von Personalwechsel zu nutzen. Auf der inhaltlichen Ebene – unser Thema ist Coworking in der KielRegion – zeigten Voruntersuchungen großes Interesse der Beteiligten an dem Thema. Doch aktuelle Umbrüche führen zu Zurückhaltung gegenüber Neuem. Die Nachfrage nach Coworking Spaces sinkt, zugleich steigen die Kosten, um Coworking Spaces zu betreiben. Auf der methodischen Ebene waren mehrere Online-Umfragen und Interviews vorgesehen. Bisher sind die Rückläufe geringer als erwartet. Auch Interviewpartner*innen zu gewinnen, gestaltet sich schwierig.

Wie haben Sie auf die geänderten Rahmenbedingungen reagiert? Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um das Verbundvorhaben ggf. nachzusteuern?

Ariane Krause (zirkulierBAR): Die hohen Marktpreise bedeuten, dass beim Materialeinkauf viel Recherchearbeit und gute Marktkenntnis hilfreich bzw. erforderlich sind. Eine stetige Finanzplanung und ‑überwachung gleichen die veränderten Baukosten mit dem einst geplanten Budget ab und identifizieren Notwendigkeit und Optionen für Abstriche bei den geplanten Baumaßnahmen. Die große Aufmerksamkeit auf die „Sanitär- und Nährstoffwende“ führt zu einer hohen Nachfrage an Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Durch den Ausstieg des Kommunikations-Partners aus dem Verbund ist die Koordination stark gefordert. Wir strukturieren aktuell die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Wissenschaftskommunikation in die Politik neu und verteilen Aufgaben und Verantwortung innerhalb des Konsortiums.

Gesine Wilbrandt (RealWork): Als Folge der Umbrüche zeigt sich, dass die Mitarbeitenden und Unternehmen zögerlicher und unverbindlicher in der Nutzung von Coworking Spaces sind. Das führt bei den Betreiber*innen von Coworking Spaces zu einer schlechteren wirtschaftlichen Planbarkeit. Das hat uns im Projekt dazu gezwungen, weniger zu experimentieren und uns auf die erfolgversprechendsten Branchen (z.B. Versicherungen und Behörden) zu konzentrieren. Mit einer angepassten Kommunikationsstrategie gehen wir auf die Unternehmen und ihre Mitarbeiter*innen zu, um sie für unser Verbundvorhaben zu begeistern. Im Zentrum der Kommunikationsstrategie stehen die Mehrwerte, die Coworking Spaces trotz oder auch gerade in Zeiten von Krisen bieten, wie z.B. das Energie- und Kraftstoffsparen oder das Erreichen neuer Fachkräfte.

Michael Kolocek (Zusammenhalt hoch drei): Die Projektidee war, zukunftsgerichtet zu agieren und, im Gegensatz zu vorangegangenen Forschungen, eine nostalgische Vergangenheitsbewältigung nach Möglichkeit hintenanzustellen. Hier haben wir nachjustiert und in unseren Interviews, Fragebögen und Workshops (mehr) Räume gegeben, auch den Unmut über bisherige Entwicklungen zu äußern. Insbesondere in informellen persönlichen Gesprächen mit Bewohner*innen aus den Ortschaften haben wir versucht zu verstehen, was die aktuelle Situation für die Menschen bedeutet. Manchmal richten sich Kritik und Forderungen auch direkt an uns. Hier gilt es, einen Mittelweg zu finden und einerseits Ärger, Ängste und Bedürfnisse der Bewohnerschaft ernst zu nehmen, aber andererseits die Möglichkeiten (und Grenzen) der Verbundpartner ehrlich zu kommunizieren.

Wie lässt sich Ihrer Erfahrung nach ein Vorhaben gut durch diese "unruhigen Zeiten" zu bringen?

Shahrooz Mohajeri (RealWork): Es braucht eine starke und erfahrene Projektleitung, die im Regelfall jüngeren Projektmitarbeiter*innen beratend zur Seite steht und gemeinsam mit ihnen neue und innovative Wege zur Zielerreichung findet. Dabei kann auch eine Neujustierung des Projektes oder der gewählten Methoden notwendig sein, die mit der Projektträgerschaft besprochen und genehmigt werden müssen. Hier sind die betroffenen Projekte auf die Offenheit und Bereitschaft der Projektträgerschaft angewiesen.

Michael Kolocek (Zusammenhalt hoch drei): Kommunikation. Dies gilt zunächst für die Kommunikation zwischen den Verbundpartnern. Trotz der gemeinsamen Zielsetzungen sind die Interessen der Partner teilweise unterschiedlich. Ein Beispiel: Die Forschenden wollen „alles untersuchen“, die Stadt Erkelenz ist gleichzeitig darauf bedacht, keine zusätzliche Unruhe in den Untersuchungsräumen zu stiften. Hier ist eine enge Abstimmung unerlässlich. Ganz wichtig ist auch die Kommunikation der Verbundpartner mit der Bewohnerschaft. Hier hat der eigens für das Projekt eingestellte Dorfkümmerer eine wichtige Brückenfunktion. Er vertritt die Interessen der Stadt Erkelenz und ist gleichzeitig ein wichtiges Sprachrohr der Bewohnerschaft. Seine Arbeit erfordert ein hohes Maß an Sensibilität und Geduld.

Ariane Krause (zirkulierBAR): Ein eng verknüpftes, sich gut kennendes und kommunizierendes Netzwerk kann ein guter Halt in unruhigen Zeiten sein; und damit auch ein „Sicherheitsgurt“ für das Verbundvorhaben. Auch wenn zeitaufwendig, erleben wir, dass regelmäßige Jour Fixe (in den einzelnen Arbeitspakten 14-tägig) und Konsortialtreffen (alle Partner, alle 2 Monate) durch den dort stattfindenden Informations- und Wissensaustausch die Zusammenarbeit und das Vertrauen im Verbund stärken. Die Treffen ermöglichen über Herausforderungen gemeinsam zu sprechen, so dass sich keine*r alleine fühlt. Die gemeinsame Zeit bei den Treffen aber auch auf gemeinsamen Veranstaltungen (wie z.B. unseren Kreislauftagen oder unserem „Bergfest“) fördern die emotionale Verbindung der Partner*innen und die Beziehungsstärke unseres Netzwerks.