Bürgerfahrdienste als soziales Mobilitätsangebot
"KOMOBIL2035": Bürgerfahrdienste als soziales Mobilitätsangebot
Praxiserfahrungen aus Ostwürttemberg
In einer Befragung wurden in der Region Ostwürttemberg vorhandene Bürgerfahrdienste analysiert und Mobilitätsbedarfe identifiziert. Die gewonnenen Erkenntnisse wurden in einem Fachartikel veröffentlicht.

Im Verbundvorhaben „KOMOBIL2035“ untersuchten die Projektpartner*innen aus Wissenschaft und Praxis, wie Mobilität auch in Zukunft für alle Bürgerinnen und Bürger gesichert werden kann. Im Fokus des Projekts stand, inwieweit vorhandene ehrenamtliche Strukturen im Bereich der Mobilität auch in den kommenden Jahren verfügbar sind und wie diese langfristig aufgebaut und unterstützt werden können.

Die Projektpartner*innen von der » Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) setzten sich im Rahmen einer Befragung im Jahr 2018 mit der Situation und den Bedarfen von Bürgerfahrdiensten in der Modellregion Ostwürttemberg auseinander. Die Erkenntnisse wurden im » Aufsatz "Bürgerfahrdienste als soziales Mobilitätsangebot"  veröffentlicht.

Bislang sind bürgerschaftlich getragene Verkehrsangebote in Deutschland vor allem unter dem Begriff "Bürgerbus" bekannt. Bundesweit gibt es zurzeit ca. 400 Bürgerbus-Projekte. Sie erfüllen die Merkmale: ehrenamtlich getragener Betrieb, Einsatz eines Kleinbusses und keine Beschränkungen des Nutzerkreises ("vollöffentlich"). Allerdings fasst der Begriff nicht alle vorhandenen Mobilitätsangebote. In den letzten Jahren sind weitere Verkehre entstanden, die nicht alle Merkmale eines Bürgerbusses erfüllen. Daher wird in Baden-Württemberg seit 2015 die Bezeichnung "Gemeinschaftsverkehr" als Oberbegriff für alle Arten bürgerschaftlich getragener, lokal entwickelter Verkehrsangebote verwendet. Als mögliche Formen solcher Angebote wurden die vier Typen Bürgerbus, Bürgerrufauto, sozialer Bürgerfahrdienst und Pkw-Bürgerfahrdienst identifiziert. Während über Bürgerbusse eine vergleichsweise umfangreiche Fachliteratur und verschiedene Praxisleitfäden vorliegen, gibt es bisher kaum nähere Analysen zu z.B. den Bürgerfahrdiensten.

An diese Wissenslücke knüpft der Aufsatz an und gibt Antworten auf folgende Fragen: Warum entstehen Bürgerfahrdienste? Wie sieht das Angebot der Bürgerfahrdienste aus? Wer kann die Fahrdienste nutzen? Wie werden die Fahrdienste genutzt? Wie werden die Angebote finanziert? Welche Bedeutung haben Werbung und Austausch?

Im Ergebnis ordnen die Autor*innen des Aufsatzes Bürgerfahrdienste an der Schnittstelle von Mobilitäts- und sozialen Dienstleistungen ein. Nach ihren Erkenntnissen unterscheiden sich Bürgerbusse von Bürgerfahrdiensten etwa in Angebotsumfang, Standards sowie rechtlicher Ausgestaltung. Sie sind eine einfache Form des Gemeinschaftsverkehrs, die sich besonders für Verkehrsaufgaben geringen Umfangs eignet. Im Hinblick auf die Einordnung von Bürgerfahrdiensten in die größere Angebotslandschaft leiten die Autor*innen folgende Thesen ab:

» Bürgerfahrdienste sind weder von ihrer Ausgestaltung noch ihrer Verkehrsleistung eine Konkurrenz zum ÖPNV.
» Hinsichtlich Taxi und Mietwagen ist eine solche Aussage nicht so leicht zu treffen. Während für Bürgerbusse erkennbar ist, dass diese nur zu einem kleinen Teil Taxifahrten ersetzen, liegen entsprechende Erkenntnisse für Bürgerfahrdienste bisher nicht vor.
» Insgesamt zeigen Bürgerfahrdienste mehr noch als Bürgerbusse, wie mit begrenzten Mitteln ein Angebot bereitgestellt werden kann. Es greift jedoch zu kurz, dieses Angebot allein aus verkehrlicher Sicht zu betrachten. Sein Nutzen liegt stärker im sozialen und karitativen Bereich und der Sicherung von Teilhabe.