Im Gespräch: "Verwaltung 2.030" und "bergisch.circular"
Im Gespräch: "Verwaltung 2.030" und "bergisch.circular"
Kommunale Verwaltungsstrukturen transformieren
Dr. Klaus Reuter (Verwaltung 2.030), Anna Mader und Niklas Wirtgen (beide bergisch.circular) berichten, wie ihre Projekte den Wandel in kommunalen Verwaltungsstrukturen angehen.

In den Fördermaßnahmen "Kommunen innovativ" und "REGION.innovativ – Kreislaufwirtschaft" wird eine Vielfalt an Themen behandelt. Als ein verbindendes Thema stellt sich heraus: in vielen Modellregionen setzen sich die Verbundpartner*innen mit tiefgreifenden Veränderungsprozessen der kommunalen Verwaltungsstrukturen auseinander. Es fallen Begriffe wie Neuausrichtung, Weiterentwicklung und Transformation des Verwaltungshandelns, i.S. intensiverer ressortübergreifender Zusammenarbeit, neuen Partnerschaften und innovativen Arbeitsweisen.

Im Gespräch erläutern Dr. Klaus Reuter (Geschäftsführer LAG 21 NRW, Verbundkoordinator Verwaltung 2.030), Anna Mader (Neue Effizienz GmbH, Verbundkoordinator bergisch.circular) und Niklas Wirtgen (Neue Effizienz GmbH, bergisch.circular) den Anlass und die Ansätze für die Transformation der Kommunalverwaltung in ihren Vorhaben.

Dr. Klaus Reuter (Geschäftsführer LAG 21 NRW, Verbundkoordinator Verwaltung 2.030)

Anna Mader (Neue Effizienz GmbH, Verbundkoordinator bergisch.circular)

 Niklas Wirtgen (Neue Effizienz GmbH, bergisch.circular)

Auf welche aktuellen Herausforderungen strukturschwacher Regionen reagiert Ihr Vorhaben? Was ist der konkrete Auslöser für den von Ihnen gestalteten Transformationsprozess?

Anna Mader (bergisch.circular): Klimaresilienz und die Gestaltung einer systemischen Kreislaufwirtschaft sind die wichtigsten Herausforderungen mit denen Kommunen konfrontiert sind. Bedingt durch eine schwierige Haushaltslage und ausgelastete Personalkapazitäten sind gerade strukturschwache Regionen in ihrem Handlungsspielraum limitiert diese Themen verstärkt anzugehen. Die drei Kommunalverwaltungen der Städte Wuppertal, Solingen und Remscheid haben die Notwendigkeit nachhaltigen Handelns erkannt. Durch ein interkommunales Vorgehen versuchen wir mit » bergisch.circular erforderliche Anpassungsmaßnahmen voranzubringen und die Kräfte der drei Städte zu bündeln. Die Zusammenarbeit schafft notwendige Synergie- und Lerneffekte, aus denen alle drei Kommunen im Bergischen Städtedreieck gleichermaßen profitieren werden.

Dr. Klaus Reuter (Verwaltung 2.030): Kommunen sind schon immer Umsetzungs-, Innovations-, Erprobungsort für gesellschaftliche Entwicklungen. Dort wo Menschen leben und arbeiten, sie lernen, sich austauschen, sich vertrauen, wohnen, in Vereinen tätig sind, trifft alle Theorie die Praxis. In der Kommune, aber auch in Land und Bund haben wir uns an politische Entscheidungsprozesse und Verwaltungsabläufe gewöhnt, die inhärent für unsere Demokratie sind und sich auch zu Krisenzeiten als Reaktionsmodus bewährt haben. Der Blick in die Zukunft ist dabei oftmals nicht oder nur kurzfristig für Legislaturperioden abgebildet, Präventionsmuster für globale Krisen wie dem Klimawandel, dem Verlust der Artenvielfalt, Flüchtlingsbewegungen politisch, finanziell und verwaltungstechnisch für eine Kommune abzubilden, fällt oftmals schwer in lang eingeübten Steuerungsmodellen und etablierten Arenen. Wie können künftig also bei multidimensionalen Problemlagen richtige und schnelle Entscheidungen getroffen werden, war die zentrale Fragestellung für das Projekt Verwaltung 2.030.

Welchen Ansatz entwickeln und erproben Sie, um Kommunalverwaltungen an neue Anforderungen und veränderte Aufgaben anzupassen?

Dr. Klaus Reuter (Verwaltung 2.030): Drei Kernfragen beschäftigten uns deshalb am Ausgangspunkt unseres Projekts » Verwaltung 2.030: 1) Wie können hinsichtlich der multidimensionalen Herausforderungen Verwaltungsabläufe fachbereichsübergreifend und effizient gestaltet werden? 2) Wie können politische Entscheidungen transparent und in Abstimmung mit weiteren gesellschaftlichen Akteur*innen getroffen werden. 3) Wie kann der städtische Haushalt entsprechend an den neuen Strukturen ausgerichtet werden, um schnelles aber auch den eigenen Nachhaltigkeitszielen konformes reagieren zu ermöglichen?
In diesem Ansatz wird deutlich, dass es nicht nur um die Verwaltungen selbst geht, sondern wie kommunale Planungs- und Entscheidungsprozesse insgesamt so gestaltet werden können, dass diese der Umsetzung der selbst beschlossenen Nachhaltigkeitsstrategie gerecht werden. Hier sind sowohl die Politik als auch die Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft angesprochen.

Niklas Wirtgen (bergisch.circular): Im Zentrum steht der interkommunale Austausch zwischen den bergischen Städten. Wir versuchen Fachexpert*innen aus den Kommunalverwaltungen und wissenschaftlichen bzw. wirtschaftlichen Institutionen zusammen zu bringen, Kompetenzen im Bereich Kreislaufwirtschaft aufzubauen und aus Best Practices zu lernen, um ins Handeln zu kommen. Unser Vorgehen richten wir nach der Methodik Design Thinking aus, um ganz neue Denkansätze zu ergründen. In interaktiven Workshops bringen wir so verschiedenste Anspruchsgruppen zusammen und beleuchten unsere Problemstellungen aus diversen Perspektiven. Innerhalb von bergisch.circular werden dabei Lösungsideen für eine bergische Kreislaufwirtschaft entwickelt, getestet und agil, in wiederkehrenden Iterationen optimiert.

Nach einem knappen Jahr Arbeit im Vorhaben: Was sind nach Ihren ersten Erkenntnissen Gelingenselemente um Verwaltungshandeln zu verändern?

Dr. Klaus Reuter (Verwaltung 2.030): Ein solches Projekt ist nur möglich mit einer gegenüber Innovationsprozessen sehr aufgeschlossenen Verwaltung und ihrer Spitze, die sich ebenfalls ambitionierte Ziele setzt. Transparenz, Kommunikation und Vertrauen etwas Neues entstehen zu lassen, das bisher gängige Steuerungsabläufe und Entscheidungsprozesse in Frage stellt und eine Menge Hebel, von denen man manchmal nicht weiß, welcher Auslösemechanismus in Gang gesetzt wird, sind durchgängige Begleiter*innen des Prozesses.
Die Erprobung agiler Arbeitsstrukturen, der Kollaboration unterschiedlicher Fachabteilungen der Verwaltung erfordert dabei Offenheit von allen Seiten sich auf die neue Schwarmintelligenz einzulassen im Sinne der Ziele zu entscheiden. Für Politik ist sicherlich mitentscheidend, ob evidenzbasierte Entscheidungen getroffen werden und eigene politische Ziele einer wirkungsorientierten Evaluation unterzogen werden können.
Ansätze, wie ein Steuerungsmodell für integriertes Nachhaltigkeitsmanagement aussehen könnte, kristallisieren sich dabei jetzt schon heraus.

Anna Mader (bergisch.circular): Ein zentraler Faktor für die Veränderung bzw. Etablierung neuer interkommunaler Strukturen sind vielfältige Austauschformate, in denen die Kommualvertretenden der Region zusammenkommen. Der Abgleich von Herausforderungen sowie das Bewusstsein vor den gleichen Problemen zu stehen, hat den Nutzen und die Notwendigkeit einer interkommunalen Kooperation und den damit einhergehenden neuen Strukturen im Bereich Kreislaufwirtschaft verdeutlicht. Wesentlich ist, dass neben unseren Projektstellen weitere Verwaltungsmitarbeitende (von Teamleitungs- bis Sachbearbeitungsebene), die relevant für das Thema sind, in den Transformationsprozess einbezogen werden. Ferner müssen bestehende Prozesse durchleuchtet und hinterfragt werden. Nur so kann die nachhaltige Etablierung neuer Strukturen gefördert werden.