Neues Verwaltungshandeln erproben und etablieren

Die durch den Strukturwandel ausgelösten Veränderungen fordern Verwaltungen in besonderem Maße heraus. Kommunen müssen nicht nur immer stärker auf neue Anforderungen und geänderte Rahmenbedingungen reagieren, sondern die notwendigen Prozesse auch aktiv gestalten und steuern. Ausdifferenzierte und versäulte Verwaltungsstrukturen, nicht integrierte Prozesse und unzureichende Ressourcen führen dazu, dass Städte und Gemeinden bei der Lösung der ‚wicked problems‘, also komplexer und unlösbar erscheinender Probleme nachhaltiger Entwicklung immer stärker an ihre Grenzen stoßen. Die erforderlichen Veränderungen machen jedoch vor den Strukturen, der Organisation und den Prozessen in den kommunalen und regionalen Verwaltungen keinen Halt und verweisen auf die Notwendigkeit des auch hier anstehenden Wandels.

Etabliertes Verwaltungshandeln und kommunale Steuerungspraxis müssen überdacht, erprobte Routinen aufgebrochen, etablierte Strukturen verändert, Silodenken überwunden, eingeübtes Handeln flexibler und agiler sowie neue Arbeitsweisen etabliert werden. Der Umgang mit den komplexer werdenden Aufgaben erfordert ressortübergreifende Kooperationen, die Zusammenarbeit mit anderen Kommunen und mit Akteur*innen außerhalb der Verwaltung. Wie Kommunalverwaltungen entsprechend transformiert – wie also neue Strukturen und Arbeitsweisen funktionieren können – ist Thema einer Vielzahl der geförderten Vorhaben in den BMBF-Fördermaßnahmen „Kommunen innovativ“ und „REGION.innovativ – Kreislaufwirtschaft“. Sie nutzten die Möglichkeiten eines transdiziplinären Forschungsvorhabens, um neue Prozesse und Strukturen in den Kommunalverwaltungen zu entwickeln, zu erproben und zu verstetigen. Leitend sind dabei u.a. folgende Fragen: Was bedeutet Transformation der Verwaltung? Wie kann die Transformation der Verwaltung organisiert werden? Worin liegen die besonderen Herausforderungen?

Die methodische Bandbreite der erarbeiteten Ansätze reicht von der Entwicklung eines wissenschaftlich basierten Modells der Verwaltungstransformation bis zur Gestaltung offener und kreativer Design-Thinking-Prozesse, mit denen Formate zur Veränderung von Verwaltungsprozessen identifiziert und konkretisiert werden können. Erarbeitet wurde ein querschnittsorientiertes Steuerungsmodell, mit dem Formate kooperativer Entscheidungsfindung, eine integriert-agile Verwaltungsstruktur und ein wirkungsorientierter Nachhaltigkeitshaushalt zusammengeführt werden können. Mit neuen Methoden wurde experimentiert, wie in der Verwaltung tradierte Gedankenmuster und Routinen der Arbeit aufgebrochen und neue Praxisformen entwickelt werden können.

Die Vorhaben identifizierten und analysierten Stellschrauben, mit denen die Agilität der Verwaltung verbessert werden kann. Dazu zählen u.a. eine hierarchiearme Zusammenarbeit, eine stärkere verwaltungsinterne Transparenz, die Verstetigung und das Monitoring von Projekten, eine ressortübergreifende interne sowie interkommunale Zusammenarbeit, die Orientierung an Nachhaltigkeitszielen und die Entwicklung attraktiver Arbeitsplätze in der Verwaltung. Für die gemeinsamen Lernprozesse, die die Verwaltung perspektivisch und langfristig zur Transformation befähigen sollen, entwickelten einige Vorhaben begleitende Lern- und Weiterbildungstools.

Eine Analyse der Ursachen für die beobachtete Schwerfälligkeit des Wandels trug dazu bei, Hemmnisse der Verwaltungstransformation zu erkennen. Neben einschränkenden regulativen Vorgaben, dem vorhandenen Zeitdruck und fehlenden Ressourcen in den Verwaltungen zählen hierzu die Zurückstellung der Verwaltungstransformation zugunsten als dringlicher wahrgenommener Themen, die Auswirkungen des kameralen Haushalts sowie zahlreiche weitere Beharrungskräfte in Verwaltung und Politik.

Die Fördermaßnahmen „Kommunen innovativ“ und „REGION.innovativ-Kreislaufwirtschaft“ zeigen, dass kommunale und regionale Transformationsprozesse immer auch mit einem Wandel der Verwaltung verbunden sind. Die entwickelten Modelle, Tools und Handreichungen können ebenso wie die erarbeiteten Weiterbildungsformate andere Städte und Gemeinden auf ihrem Weg zur Transformation unterstützen und wertvolle Anregungen und Hilfestellungen bieten.

Ergebnisse & Lösungen

Gelingensfaktoren für eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Engagierten in der Daseinsvorsorge
Walter, Andrea / Hübner, Tim (2024)

Zur Sicherstellung von Angeboten der Daseinsvorsorge sind Kommunen in ländlichen Räumen in hohem Maße auf bürgerschaftliches Engagement vor Ort angewiesen. Ob Feuerwehr, Dorfladen oder Bürgerbus – Angebote, die zur Sicherstellung der Daseinsvorsorge beitragen, benötigen regelmäßig einen engen Austausch mit Kommunalverwaltungen vor Ort (z.B. in Bezug auf finanzielle Förderung, Berichtspflichten). Ein zentraler Eckpfeiler für die Sicherstellung kommunaler Daseinsvorsorge bildet somit eine funktionierende Zusammenarbeit zwischen Kommune und Engagierten.

Was plausibel und beinahe selbstverständlich klingt, ist in der Praxis jedoch oft gar nicht so einfach zu realisieren. Deshalb ist es wichtig, mögliche Herausforderungen in der Zusammenarbeit zunächst einmal zu identifizieren und Lösungswege aufzuzeigen.

Der Beitrag argumentiert, dass Herausforderungen oft aus unterschiedlichen Erwartungshaltungen von Engagierten und Verwaltungsbeschäftigen resultieren. Eine funktionierende Zusammenarbeit benötigt vor allem gelebte Augenhöhe zwischen den Beteiligten.

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Die ideale Schnittstelle zwischen Ehrenamt und Kommunalverwaltung
Matzke, Felix Leo / Arnold, Alexander / Beverungen, Teresa (2024)

Vor dem Hintergrund von Schrumpfungsprozessen und finanziell eingeschränkten lokalen Haushaltskassen in ländlichen Räumen übernimmt das Ehrenamt mehr und mehr (lokal)staatliche Aufgaben. In Form von Dorfkümmer*innen oder Dorfmoderator*innen werden in vielen Bundesländern ehrenamtlich Engagierte gefördert und qualifiziert, die auch in Bereichen wie der Gemeinwesenarbeit oder der Dorfentwicklung ehemals kommunal organisierte Funktionen wahrnehmen. Aus unserer Sicht lohnt es sich jedoch für Kommunen, diese Positionen mit hauptamtlichen Stellen zu bekleiden. Hauptamtliche Dorfmanager*innen decken ein breiteres Aufgabenspektrum ab als Ehrenamtliche, da sie die Arbeit verschiedener Dorfgemeinschaften im Gemeindegebiet aufeinander abstimmen und effektiver koordinieren können.

Sie fungieren als kommunikatives Bindeglied zwischen Verwaltung, Lokalpolitik, Vereinen und Bewohnerschaft, geben Informationen weiter, haben ein offenes Ohr für die Bedarfe vor Ort, initiieren Projektideen und können somit die Dorfentwicklung insgesamt effektiver gestalten. Am Beispiel der Gemeinde Merzenich sowie der Stadt Erkelenz stellen wir im vorliegenden Beitrag die konkrete Arbeit von zwei hauptamtlich tätigen Dorfmanager*innen vor. Wenn es Dorfmanager*innen gelingt, Vertrauen aufzubauen, Netzwerke zu etablieren und dauerhaft aufrechtzuerhalten, bilden sie die ideale Schnittstelle zwischen Ehrenamt und Kommunalverwaltung.

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mittels einer gemeinsamen Personalstelle zur Stärkung der regionalen Kreislaufwirtschaft im Zuge der nachhaltigen Transformation zweier saarländischer Kommunen
Steuer, Anne / Pfannstiel, Anna (2024)

Die junge saarländische Stoffstrommanagerin Anne Steuer arbeitet seit Mai 2022 im Rahmen des BMBF-geförderten Projektes Konnekt für zwei Kommunalverwaltungen gleichzeitig – ein bis her noch kaum erprobtes Modell zur Bündelung von Personalressourcen.

Die Kreisstadt Saarlouis und die Gemeinde Nalbach liegen beide innerhalb des Landkreises Saarlouis und kooperieren im Fördervorhaben Konnekt zur Stärkung der nachhaltigen Regionalentwicklung und Transformation der Kommunen. Die damit verbundenen Herausforderungen möchten beide Kommunen gemeinsam durch eine enge interkommunale Zusammenarbeit bewältigen, von- und miteinander lernen, Synergien nutzen und Ressourcen bündeln. Die beiden Kommunen arbeiten insbesondere zusammen am Aufbau eines gemeinsamen Energiedatenmanagements und zirkulärer Verwertungsstrukturen kommunaler Stoffströme am Beispiel des anfallenden Grünguts.

Im Interview gibt Anne Steuer einen Einblick in das Pilotprojekt und ihren Arbeitsalltag. In diesem Kontext schildert sie Potenziale und derzeitige Hemmnisse einer gemeinsamen interkommunalen Personalstelle. Sie versucht Antworten darauf zu geben, ob die Bündelung von Personalressourcen dazu beitragen kann, eine nachhaltige Transformation der Gemeindeverwaltungen zu beschleunigen und kommunenübergreifende Herausforderungen zu bewältigen.

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Gemeinsam zu kreislauffördernden interkommunalen Strukturen im Bergischen Städtedreieck
Erbe, Franziska / Martin, Dominik (2024)

Kommunen spielen eine entscheidende Rolle im Übergang zur Kreislaufwirtschaft. Um einen Prozess der Problemerkennung und Lösungsentwicklung zusammen mit Kommunalakteur*innen zu ermöglichen, wurde im Projekt “bergisch.circular” die Design Thinking Methode verwendet. In der Methode stehen die Bedürfnisse der Nutzer*innen im Fokus und es werden über mehrere Phasen in einem partizipativen, kreativen Prozess Lösungen entwickelt, welche mit Akteur*innen gestaltet, getestet und angepasst werden. Die Nutzung im Projekt ergab Potenziale, wie einen starken Fokus auf die Problemanalyse und eine kreative Lösungsfindung. Das Projektteam identifizierte jedoch auch Herausforderungen wie die Anpassung an den kommunalen Kontext und die Integration der entwickelten Lösungen in die Verwaltung.

Die Stärke des Design Thinkings liegt in seiner Struktur und Offenheit für kreative Lösungen. Dies kann dazu beitragen, starre Prozesse aufzubrechen und neue Arbeitsmethoden einzuführen. Design Thinking ist interessant für Akteur*innen, die eine innovative und partizipative Methode suchen, mit der eine Lösung entwickelt und umgesetzt werden kann. Empfehlungen für die Anwendung von Design Thinking für andere Kommunen umfassen unter anderem eine klare Problemdefinition, die frühzeitige Einbindung von Schlüsselpersonen sowie eine sorgfältige Überführung der Lösungen in die Kommunalverwaltungen.

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Erkenntnisse des Reallabors des ISDN-Forschungsprojektes
Block, Sebastian / Knacker, Lena (2024)

Das Forschungsprojekt „ISDN – Integrierte Strategie für Daseinsvorsorge und Nachhaltigkeit in ländlichen Räumen“ hat sich zum Ziel gesetzt, eine Strategie zur besseren Integration von Daseinsvorsorge und Nachhaltigkeit in die Stadtentwicklungsprozesse einer Kleinstadt zu entwickeln und das Instrument des Integrierten Stadtentwicklungskonzeptes dahingehend weiterzuentwickeln (Krüger 2023). Der Beitrag erläutert das Vorgehen im Reallabor und die Erkenntnisse in Bezug auf den Themenschwerpunkt Radverkehr und zeigt auf, wie kleinteilige Maßnahmen zu einer kommunal gesteuerten Gesamtmaßnahme gebündelt werden können, um den Planungsprozess zu vereinfachen und zu beschleunigen. Denn Mobilität bildet vor allem aufgrund der dezentralen Angebotsstruktur im ländlichen Raum eine wichtige Voraussetzung für die Erreichbarkeit alltäglicher Ziele und damit für die Sicherung der Lebensqualität.

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