Im Gespräch: Zusammenhalt hoch drei und KIMonoS
Was bleibt nach drei Jahren Projektarbeit?
Zum Abschluss der dritten Förderphase von "Kommunen innovativ" berichten die Projektverantwortlichen Anna Woll (KIMonoS) und Dr. Michael Kolocek (Zusammenhalt hoch drei) über die Erfolge, bleibenden Ansätze und langfristigen Auswirkungen ihrer Projektarbeit in den Modellkommunen.

Die demografischen und strukturellen Veränderungen in ländlichen Regionen stellen viele Kommunen in Deutschland vor große Herausforderungen. Dazu zählt die Aufgabe, die Daseinsvorsorge langfristig sicherzustellen und zukunftsfähig zu gestalten. In der Fördermaßnahme "Kommunen innovativ" arbeiteten Kommunen mit Wissenschaft, Wirtschaft und zivilgesellschaftlichen Akteuren zusammen, um neue Ansätze für eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung der Kommunen und Regionen in Deutschland zu entwickeln. Zum Ende der dritten Förderphase sprechen wir mit den Projektverantwortlichen der Verbundvorhaben "KIMonoS" (Anna Woll) und "Zusammenhalt hoch drei" (Michael Kolocek) über ihre zentralen Ergebnisse – und darüber, welche der neu entwickelten Ansätze in den Modellkommunen bleiben bzw. wie mit den Erfahrungen aus der Mitwirkung an einem Forschungsvorhaben umgegangen wird.

Das Verbundvorhaben » "KIMonoS" konzentrierte sich auf die Sicherung und Anpassung von kommunalen Infrastrukturen und Mobilitätsangeboten in ländlichen Räumen. Hier wurde die Entwicklung einer KI-gestützten On-Demand-Plattform für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) angestrebt. Das Verbundvorhaben » "Zusammenhalt hoch drei" (Zhoch3) widmete sich dem Ziel, den sozialen Zusammenhalt im Rheinischen Revier zu stärken – einer Region, die stark vom Braunkohleabbau geprägt ist. Thema waren die Sicherung und Stärkung der sozialen Strukturen vor Ort.

Nach drei Jahren intensiver Arbeit: Was sind die zentralen Ergebnisse Ihres Verbundvorhabens?

Dr. Michael Kolocek (Zhoch3): Insbesondere in den untersuchten Ortschaften innerhalb der Stadt Erkelenz sind der Zusammenhalt und die Identität stark ausgeprägt sowie die Akzeptanz der lokalen Akteure besonders hoch. Partizipationsansätze sind nach wie vor sinnvoll und sollten weiter vorangetrieben werden. Allerdings werden sie mit Argwohn betrachtet, wenn entscheidende Fragen (in unserem Fall waren das Entscheidungen über den braunkohlebedingten Abriss bzw. Erhalt ganzer Ortschaften) von der Mitbestimmung ausgeschlossen werden. Für die Stärkung des Zusammenhalts sind ehrenamtlich Tätige nach wie vor die wichtigste Säule. Ehrenamtliche stoßen allerdings, wie in anderen Regionen auch, häufig an ihre Belastungsgrenze. Das Ehrenamt braucht neben einer Anerkennung weitere finanzielle und unkomplizierte Unterstützung. Dies gilt auch im Rahmen der Zusammenarbeit mit transformativen Forschungsprojekten wie unserem. Ansonsten wird das gemeinsame Forschen und Gestalten ausschließlich als zusätzliche Belastung wahrgenommen. Unser Konzept des Dorfmanagements war ein Erfolg, Dorfmanager*innen können allerdings auch nicht alle Probleme lösen.

Anna Woll (KIMonoS): Zentrales Ergebnis unseres Vorhabens ist das Betriebskonzept zur Umsetzung eines On Demand Verkehrs im ländlichen Raum sowie die Entwicklung einer entsprechenden Software zur Buchung und Disposition der Fahrten. Das Konzept beinhaltet verschiedene Bausteine, die den Betrieb eines On Demand Verkehrs darstellt. Wir haben uns Gedanken über Betriebszeiten, Anzahl der nötigen Fahrzeuge, Haltestellennetz usw. gemacht. In der Gemeinde wurden nun über 30 neue virtuelle Haltestellen eingerichtet, an denen der Bus abfährt. Außerdem hat die Init zwei Apps entwickelt, zum einen zur Buchung der Fahrt für die Bürgerinnen und Bürger, zum anderen die App zur Disposition und Ausführung der Fahrten für die Mitarbeiter*innen des Verkehrsbetriebes. Als Grundlage haben wir verschiedene Verkehrsdaten ausgewertet und eine Bedarfsanalyse in Form einer Haushaltsbefragung durchgeführt.

Fortführung der Ergebnisse: Welche Ergebnisse werden über die Förderphase hinaus in den beteiligten Kommunen verstetigt? Welche Schritte unternehmen Sie aktuell, um die Verstetigung auf den Weg zu bringen?

Anna Woll (KIMonoS): "Glücklicherweise konnten wir mit den Ergebnissen, insbesondere des Betriebskonzeptes, einen Antrag zur Folgeförderung von On Demand Verkehren stellen, der auch bewilligt wurde. Seit Juni 2024 werden wir im Rahmen der Förderreihe „Nachhaltige Mobilität im Saarland - On Demand durch das Land Saarland“ gefördert. Wir haben nun zwei Busse eingesetzt, die an 7 Tagen die Woche On Demand gebucht werden können und unsere Bürger*innen in der Gemeinde an ihr Ziel bringen. Aktuell verzeichnen wir rund 30 Fahrten pro Tag. Die Förderung ist auf drei Jahre angelegt. Wir hoffen und gehen davon aus, dass sich in den drei Jahren das Angebot so verstetigt, dass wir auch ohne eine so große Förderung den On Demand Verkehr in der Gemeinde halten können."

Dr. Michael Kolocek (Zhoch3): Im Hinblick auf unser Ziel der dauerhaften Stärkung des Zusammenhalts hat sich eine Gruppe junger Menschen zusammengefunden, die jährlich Events für die Bewohnerschaft veranstalten und Menschen aus den Dörfern noch mehr zusammenbringen möchte. Die Gruppe ist mittlerweile sowohl untereinander als auch mit anderen Ehrenamtlichen sowie Mitarbeitenden der Stadt Erkelenz gut vernetzt. Des Weiteren haben wir dafür geworben, dass die Stadt Erkelenz das Konzept des Dorfmanagements fortführt. Unser Dorfmanager hat gemeinsam mit der Dorfmanagerin aus der Gemeinde Merzenich (assoziierte Partnerin des Projekts) ein Netzwerk gegründet, das sich in regelmäßigen Abständen zum Austausch trifft und weiterwachsen soll. Mit Blick auf das Dorfmanagement haben wir unlängst eine ausführliche und viel beachtete » Handreichung verfasst, die für unsere Partner*innen, aber auch für viele andere hilfreich sein kann.

Die Beteiligung an Forschungsvorhaben bietet nicht nur Lösungen für konkrete Probleme, sondern eröffnet darüber hinaus Mehrwerte für die Kommunen. Welche Wirkungen hat das Forschungsvorhaben in den beteiligten Modellkommunen entfaltet?

Dr. Michael Kolocek (Zhoch3): Wir glauben (und hoffen), dass wir mit unserem Projekt auf unterschiedlichen Ebenen zu einem „Umdenken“ beigetragen haben. Die Stadt Erkelenz sieht Wissenschaft jetzt noch mehr als Plus und nicht als zusätzlichen Störfaktor in einer Region, die manchmal unter der großen (medialen) Aufmerksamkeit für den Braunkohletagebau und die damit verbundenen Klimafragen auch gelitten hat. Uns ist es gelungen, junge Menschen für das Ehrenamt zu begeistern. Die jungen Menschen haben im Rahmen der Planung eines Holi Festivals vorgelebt, dass die Lösungsfindung einfacher ist, wenn man das Kirchturmdenken und Konkurrenzen zwischen den Ortschaften beiseitelässt. Transformative Forschung ist gut geeignet, damit Forschende ihren sogenannten Elfenbeinturm verlassen. Sie bietet allerdings auch kommunalen Vertreter*innen die Möglichkeit, die eine oder andere Handlungsweise selbstkritisch zu überdenken. Alle Projektpartner*innen sind gewillt, auch bei zukünftigen Projekten zusammen zu arbeiten.

Anna Woll (KIMonoS): Richtigerweise hat das Forschungsprojekt eine Lösung für eines unserer Probleme geliefert, nämlich die erhebliche Verbesserung des ÖPNV in unserer Gemeinde. In der Praxis zeigt sich bereits der Erfolg durch die rege Nutzung des Busses. Aber die Teilnahme hat noch weitere positive Effekte gebracht. Es hat sich für uns als Kommune auch die Möglichkeit eröffnet, an Forschungsprojekten teilzunehmen und von solchen Möglichkeiten zu profitieren. Sicher wird dies nicht das letzte Vorhaben gewesen sein. Außerdem ist hierbei ein erster Kontakt zu den forschenden Partnern entstanden, inzwischen haben sich auch kleinere Netzwerke gebildet, von denen man lernen kann. Darüber hinaus hat auch der Austausch mit den anderen Forschungsprojekten aus der Fördermaßnahme „Kommunen innovativ“ neue Impulse geliefert.

Die Mitwirkung an einem Forschungsvorhaben bietet kommunalen Partner*innen weit mehr als nur Lösungen für spezifische Probleme. Sie eröffnet auch Chancen, Zukunftsthemen zu identifizieren und zusätzliche Ressourcen zu erschließen. Genau diese Themen werden am 5. Dezember 2024 im Rahmen der Online-Transferreihe "Was macht Kommunen und Regionen innovativ?" diskutiert. Dabei werden die Erfahrungen von "KIMonoS", "Zusammenhalt hoch drei" und "IRRMa" ausführlicher vorgestellt und die Bedeutung der langfristigen Implementierung von Forschungsergebnissen in Kommunen eingegangen. Melden Sie sich » hier für diese und weitere Veranstaltungen der Online-Transferreihe im November und Dezember 2024 an!