KIF
Innenentwicklung durch kommunalen Fonds
Das Projekt „Kommunaler Innenentwicklungsfonds“ (KIF) finanziert und stärkt die Innenentwicklung von Kommunen in zwei niedersächsischen Landkreisen. Dafür erforschten und erprobten 47 Gemeinden gemeinsam mit Forschenden der Georg-August-Universität Göttingen und dem Regionalverband Großraum Braunschweig einen freiwilligen Fonds.

Projektziele
Ziel des Projekts „Kommunaler Innenentwicklungsfonds“ (KIF) war es, ein freiwilliges und eigenverantwortetes Fondsmodell zu entwickeln, aus dessen Mitteln die Ortsinnenentwicklung der beteiligten Gemeinden gemeinsam finanziert wird. Der Kommunale Innenentwicklungsfonds ermöglicht damit eine integrierte Entwicklung nach dem Prinzip „Innen­ vor Außenentwicklung“ – nicht durch strikte Regulierung, sondern durch Anreize und verstärkte interkommunale Zusammenarbeit. Dafür erprobten die 47 „KIF“­Gemeinden der Landkreise Nienburg/Weser und Gifhorn gemeinsam mit Forschenden der Georg­-August-Universität Göttingen und dem Regionalverband Großraum Braunschweig zunächst die rechtlichen, finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen für die Einrichtung eines solchen Fonds, definierten konkrete Rahmenbedingungen und entwickelten schließlich den „KIF“.


 
Projektergebnisse
In den Kommunalen Innenentwicklungsfonds zahlen die beteiligten Städte und Gemeinden anteilig ein. Ihr jeweiliger Beitrag basiert auf der Steuerkraft und Einwohnerzahl und ist von der Zustimmung ihrer Samtgemeinde­, Gemeinde­ und Stadträte abhängig. Hinzu kommt ein Beitrag des Landkreises in vergleichbarer Höhe der Gemeinde­Beiträge. Damit ist der Fonds ein freiwilliges Instrument der regionalen Kooperation.

Finanziert werden aus dem Fonds die besten Projekte der Innenentwicklung. Das Solidarische an dem Modell: Es zahlen zwar alle beteiligten Kommunen ein, erhalten aber nur dann Mittel, wenn sich ihr Projekt im Wettbewerb durchsetzen kann. Das gemeinsam entwickelte Antrags­ und Bewertungsverfahren des „KIF“ ist unkompliziert mit nur geringem Verwaltungsaufwand.

Im Landkreis Nienburg/Weser wird die Umsetzung des Fonds für die Jahre 2020 bis 2024 vorbereitet, eine erste Förderung wird bereits 2020 angestrebt. Der Landkreis Gifhorn führt für die weitere Umsetzung zunächst Gespräche mit den interessierten Kommunen.

Die Details des Fonds:
» Eine Muster­-Kooperationsvereinbarung mit Angaben zu Finanzierung, Auszahlung, Geschäftsführung und Laufzeit des Fonds sowie eine Anzeigepflicht seitens der zuständigen Kommunalaufsichtsbehörde.
» Förderrichtlinie mit Angaben zu Geltungsbereich, Antrags­ und Bewertungsverfahren, Vergabe und Zuwendung.
» Handbuch für die kommunale Praxis mit Empfehlungen für den erforderlichen regionalen Abstimmungsprozess für die Entwicklung und Einführung des Fonds.
» Regionalplanerische Empfehlung, insbesondere die Betrachtung der Zentralität des betreffenden Ortes.

Angelika Sack verdeutlicht, dass es wirkungsvoll ist, die Entwicklung der Ortsmitten als regionale Aufgabe zu verfolgen. Mit KIF, dem kommunalen Innenentwicklungsfonds, finanzieren Kommunen gemeinsam die besten Ideen in ihrer Region für die Stärkung der Innenstädte. Ein transparentes wettbewerbliches Verfahren schafft Vertrauen und Akzeptanz für ein gemeinsames Vorgehen.

Landrat Detlev Kohlmeier stellt den Kommunaler Entwicklungsfonds im Landkreis Nienburg/Weser vor. Er verdeutlicht das schrittweise Wachstum der interkommunalen Kooperation in der Region durch Projekte über einen längeren Zeitraum. Die gewachsene Vertrauensbasis, eine intensive Kommunikation und eine Erprobung des Fonds im Planspiel haben maßgeblich dazu beigetragen, ein innovatives Instrument in der Praxis zu verankern.

Die Projektmethodik
Vertreterinnen und Vertreter der beiden Landkreise  entwickelten gemeinsam mit den Forschenden der Universität Göttingen die Wirkungsmechanismen des Fonds. In einem Konsultationsprozess der beteiligten Kommunen erarbeiteten sie ein Modell für die Einzahlung in den Fonds und die Förderung von Innenentwicklungsvorhaben. Der Regionalverband Großraum Braunschweig prüfte anschließend die regionalplanerischen Rahmenbedingungen und zeigte die Handlungsmöglichkeiten auf dieser Ebene auf.

In beiden Landkreisen führten die Göttinger Forschenden zudem individuell zugeschnittene Planspiele mit den kommunalen Akteurinnen und Akteuren durch, um die Funktionsweise des „KIF“ zu erläutern und zu erproben. Anschließend prüften die Landkreisverwaltungen die rechtlichen Gestaltungsspielräume für den Fonds. Ein wesentlicher Bestandteil des Projekts war die regelmäßige Berichterstattung über den Projektfortschritt und die Fondsentwicklung in den politischen Gremien der Landkreise und Kommunen.

Ergebnisse & Lösungen

Ein neues Instrument erleben: Erprobung eines Fonds im geschützten Raum
Bizer, Kilian / Gödecke, Dario (2020)

Transformationsforschung zielt darauf ab, die Bedingungen zu erforschen, unter denen ein zielgerichteter Wandel stattfindet. In Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung von Kommunen, die unter demografischem Wandel in Form von Wegzügen, Alterung sowie Leerständen leiden, kommt es beispielsweise darauf an, Kooperationsformen zu finden, die gemeinsame Strategien ermöglichen und befördern.

Im Projekt Kommunaler Innenentwicklungsfonds KIF haben zwei Landkreise in Planspielen erprobt, ob eine spezifische Ausgestaltung eines solchen Fonds die von ihnen erwarteten Effekte zeitigen kann und wie die Prozesse auszugestalten sind. Planspiele haben den Vorteil, dass sie den Teilnehmenden direkte Erfahrungen vermitteln, weil sie für eine gewisse Zeit in einem geschützten Raum das Instrument erproben und gemeinsam mit anderen Akteuren daraus Schlussfolgerungen ableiten können. Planspiele haben den Nachteil geringer Replizierbarkeit, d.h. sie sind nicht geeignet, gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zu generieren, die man einfach auf andere Räume übertragen kann.

Gerade diese Umstände prädestinieren sie aber dafür, Transformationsprozesse zu befördern, weil die Akteure sich in einem Kommunikationsprozess den Risiken eines bestimmten Politikinstrumentes nähern und ihre Fragen dazu stellen können, ohne bereits von der Realität eingeholt zu werden. Das Vorhaben KIF reflektiert die Möglichkeiten und den kommunalen Einsatz von Planspielen als ein bislang unterschätztes Instrument der Transformationspolitik.

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Vom Wissen zum Handeln: Vertrauen und Verbindlichkeit durch strukturierte Kommunikationsprozesse wachsen lassen
Klein, Tanja (2020)

Die Folgen des demografischen Wandels – Leerstand und Funktionsverlust in den Ortsmitten, veränderte Ansprüche an Infrastruktur und Wohnangebot – sind allgegenwärtig und erfordern regional abgestimmte Lösungen. Bewährte Instrumente der Vergangenheit – z.B. die Ausweisung von Neubaugebieten am Ortsrand – tragen nicht mehr: Sie verschärfen die Problemlage eher und stehen zudem im Widerspruch zum Flächenspargebot. All das ist den im Projekt KIF beteiligten Kommunen bewusst, interkommunalen Lösungsstrategien stehen sie grundsätzlich offen gegenüber.

Wie aber gelingt der Sprung von der Faktenkenntnis zum gemeinsamen Handeln für die Region? Ein kluges Instrument allein reicht nicht. Es muss eingebunden sein in einen Kommunikationsprozess, der die unterschiedlichen Entscheidungsebenen berücksichtigt, die Teilnehmenden emotional mit dem Thema verbindet, gemeinsame Verhandlungsergebnisse nachhaltig verankert und in höchstem Maße transparent ist. Entscheidend sind die Erfahrungen von Vertrauen und Verbindlichkeit in einem gemeinsam durchlebten Kommunikationsprozess zur Implementierung eines Instrumentes. Dieser „menschliche“ Aspekt als Grundlage belastbarer (Vertrags- oder Verbund-) Beziehungen ist ein Erfolgsfaktor für die Implementierung neuer Instrumente wie dem Interkommunalen Innenentwicklungsfonds.

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Die modifizierte Nutzwertanalyse: Ein Instrument der Entscheidungsfindung für kommunale Akteure
Gödecke, Dario (2020)

Kommunale Akteure sehen sich oftmals komplexen Entscheidungen mit verschiedenen Alternativen gegenüber. Bei diesen Entscheidungen spielen häufig auch Bewertungskriterien eine Rolle, die sich nicht unmittelbar monetär messen lassen. Entscheidungen dieser Art werden aus unterschiedlichen Gründen selten wissenschaftlich fundiert getroffen, sondern nach politischem Kalkül und Erfahrungswissen.

Mit der Nutzwertanalyse existiert in der Entscheidungstheorie ein nicht-monetäres Analyseverfahren. Die Nutzwertanalyse bewertet unterschiedliche Alternativen anhand eines hierarchischen Zielsystems und bietet dabei die Möglichkeit, auch subjektive Werturteile mit einfließen zu lassen. Das Verfahren ist in seiner ursprünglichen Form jedoch sehr anspruchsvoll und findet daher in der kommunalen Praxis nur selten Anwendung.

In dem Forschungsprojekt "Kommunaler Innenentwicklungsfonds KIF" ist es gelungen, die Nutzwertanalyse für die wissenschaftliche Vorabbewertung und -entscheidung von Innenentwicklungsmaßnahmen derart zu modifizieren, dass das Verfahren von den Akteuren angewendet und akzeptiert wird. Der Artikel beschreibt diese Modifizierung, welche jetzt die Implementierung des Verfahrens in die Praxis ermöglicht.

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Die Funktionsweise des Fonds zur Stärkung des regionalen Zusammenhalts mit Ausstrahlungseffekten für die gesamte Region
Jacuniak-Suda, Marta / Sack, Angelika / Sommer, Annika (2020)

Die Kommunen in den Landkreisen Nienburg/Weser und Gifhorn verfolgen mit der Entwicklung des Kommunalen Innenentwicklungsfonds das Ziel der Stärkung ihrer Region über die Funktionssicherung sowie die Aktivierung und Attraktivierung der Ortsmitten ihrer Städte und Gemeinden. Damit übernehmen sie gemeinsam Verantwortung zum Wohle der Gesamtregion.

Der Kommunale Innenentwicklungsfonds sieht bezogen auf die Einzahlung vor, dass die Städte und Gemeinden nach einem Schlüssel, der sich an der Einwohnerzahl und Steuerkraft orientiert, in den Fonds einzahlen. Die Landkreise Nienburg/ Weser und Gifhorn streben zudem ihrerseits eine finanzielle Unterstützung des Fonds in einer vergleichbaren Höhe zum gemeindlichen Beitrag an. Mit Blick auf die Auszahlung haben sich die Städte und Gemeinden darauf verständigt, dass die Antragsteller im Sinne eines Wettbewerbs der besten Ideen zur Innenentwicklung einen nicht rückzahlbaren Zuschuss aus dem Fonds erhalten.

Um ein hohes Maß an Akzeptanz für die Bewilligungsentscheidungen zu erhalten, wurde das Bewertungsverfahren so aufgebaut, dass es möglichst viel Transparenz für die Entscheidungsfindung bietet.

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Ein Handbuch für die kommunale Praxis
Landkreis Nienburg/Weser (Hrsg.) (2019)

Erfolgreiche Innenentwicklung erfordert einen regionalen Ansatz. Ein kommunaler Innenentwicklungsfonds – ein KIF – ist ein solches Instrument der regionalen Entwicklung. Er gestaltet sich als ein von den Kommunen selbst gestalteter und verwalteter, freiwilliger regionaler Verbund auf Zeit, mit einem Fonds, in den mindestens die Beiträge der beteiligten Städte und Gemeinden fließen, um damit gemeinsam die besten regionalen Ideen der Innenentwicklung zur realisieren.

Das Handbuch stellt die unterschiedlichen Schritte für die Entwicklung eines Kommunalen Innenentwicklungsfonds vor. Es beschreibt die wesentlichen Elemente des Fonds und die wichtigen Meilensteine der Entwicklung sowie einer Implementation und bietet nutzbare Vorlagen, um einen KIF erfolgreich zu starten und durchzuführen. Das Handbuch richtet sich an Akteure aus kommunaler Politik und Verwaltung, die durch eine gemeinsame Strategie über die Förderung der Innenentwicklung die Stärkung der gesamten Region vorantreiben wollen.

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weitere Publikationen

Bizer, Kilian / Gödecke, Dario / Klein, Tanja / Jacuniak-Suda, Marta / Sack, Angelika / Sommer, Annika: Kommunaler Innenentwicklungsfonds, 2020
Jacuniak-Suda, Marta / Sack, Angelika: Interkommunal gegen Leerstand, 2019
Bizer, Kilian / Gödecke, Dario / Jacuniak-Suda, Marta / Klein, Tanja / Sack, Angelika / Sommer, Annika: Kommunaler Innenentwicklungsfonds, 2019