Ortsinnenentwicklung
Die Projektziele
Im Projekt „Ortsinnenentwicklung“ erstellten 17 Gemeinden des hessischen Wetteraukreises unweit von Frankfurt/Main eine nachhaltige Regionalstrategie. Sie wollen vom Wachstum der Großstadt profitieren, sich demografiefest aufstellen und dabei ihren ländlichen Charakter behalten. Ihre Strategie zielt auf die Entwicklung ihrer Ortskerne statt auf Außenwachstum und zusätzlichen Flächenverbrauch. Sie vereint dabei Bedarfe des Wohnens, des Verkehrs, der Wirtschaft und des sozialen Zusammenlebens. Zur Erstellung der Gesamtstrategie arbeiteten die Forschungspartner – die Stadt Butzbach und die Justus-Liebig-Universität Gießen – an exemplarischen Fragestellungen in den drei Pilotgemeinden Butzbach, Nidda und Ortenberg. Vorhandene Instrumente der Innenentwicklung wurden weiterentwickelt und auf die lokalen Gegebenheiten angepasst. Aus diesen entstand die Regionalstrategie, die nun Grundlage der Entwicklung für alle 17 Gemeinden wird – und der Kreisverwaltung als Empfehlung auch für andere Gemeinden übergeben wurde.
Die Projektergebnisse
Die Regionalstrategie ist ein Programm aufeinander abgestimmter Instrumente und Maßnahmen. Hierzu gehören:
Für den Bereich Wohnen/Wirtschaft:
» Ein Leerstandskataster und ein potenzielles Leerstandskataster für vorausschauendes Planen neuer Nutzung.
» Testentwürfe, wie sich leerstehende Gebäude neu nutzen lassen. Sie dienen als Expertise für potenzielle Investoren. Für das Pilotprojekt „Wohnen am Fluss“, ein Wohn- und Wirtschaftsraum, wurde so ein Investor gefunden.
» Das Modell „Village Improvement District“ – ein Zusammenschluss der Einwohner von Ortszentren, die Sorge für ihr Wohnquartier tragen, zum Beispiel leerstehende Gebäude kaufen und neu nutzen. Dieses Modell wurde aus der Wirtschaftsbranche übertragen. Ein stärkerer Einsatz vorhandener Instrumente des Baugesetzbuches.
Für den Bereich Verkehr:
» Pläne für eine Ortsdurchfahrt, die für Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer gleichermaßen attraktiv ist. Dafür gab es umfangreiches Beteiligungsverfahren.
Für den Bereich Bürgerbeteiligung:
» Ein Qualifizierungsprogramm für ehrenamtliche Dorfentwickler, die sich auch nach Projektende um die Belange der Ortsinnenentwicklung kümmern werden.
» Die Aktion „Dorf und Du“, die vielfältige Formen der Bürgerbeteiligung bündelte, u. a. einen Fotowettbewerb; eine Marketingkampagne; eine Homepage, die alle Schritte des Projektes dokumentierte.
Alle Instrumente und die gesamte Regionalstrategie können von den beteiligten 17 Gemeinden genutzt werden. Sie stehen auch allen vergleichbaren Orten zur Verfügung. Für den Transfer hat das Projekt bereits Kontakt mit der neuen hessischen „Akademie Ländlicher Raum“ aufgenommen. Im Wetteraukreis wird das Projekt nach seinem Ende weitergeführt, u. a. durch die ehrenamtliche Arbeit von Dorfentwicklern. Eine „Dorfakademie“ für die Weiterbildung ist in Planung.
Die Projektmethodik
Für die Regionalstrategie wurden alle relevanten Fragestellungen erfasst und ausgearbeitet. Dazu gehören die Unterstützungsstrukturen und die Netzwerke; Finanzierungsmöglichkeiten; stetige Instrumente der Kommunikation und die Qualifizierung ehrenamtlicher Dorfentwickler. Der gesamte Prozess wurde beobachtet und evaluiert. Ein Netzwerkmanagement der beteiligten Behörden, Mitarbeitenden der Verwaltungen und Bürgerinitiativen wurde aufgebaut. In Bürgerwerkstätten und Workshops wurden die Grundlagen für die jeweiligen Kommunalstrategien der beteiligten Orte erarbeitet. In Regionalforen der Wirtschaftsförderung Wetterau erstellten die Projektpartner daraus die Regionalstrategie.
Nach der zweieinhalbjährigen Projektdauer ziehen die Partner folgendes Fazit: gemeinsame Ortsinnenentwicklung gelingt durch Kooperation unterschiedlicher Partner, durch Dialog und Zusammenarbeit aller Akteure in Politik, Bürgerschaft, Verwaltungen und weiterer fachlicher Expertise.
Ergebnisse & Lösungen
Für Kommunen im demografischen Wandel besteht die Gefahr, dass sich das Leben aus den Ortskernen zurückzieht. Bevölkerungsverlust, Neubausiedlungen und Einzelhandel auf der (ehemals) grünen Wiese zehren an der Bedeutung der Ortsmitten und Stadtkerne, die es wieder zu stärken gilt – als Funktionszentren und Identitätsanker.
Hier setzte das Verbundvorhaben „Ortsinnenentwicklung“ an. Die Projektpartner*innen erarbeiteten eine Fülle von Instrumenten und Maßnahmen zur Stärkung der Dorfzentren. Neben den planungsrechtlichen Instrumenten, wurde deutlich, dass vor allem die Kommunikation und Kooperation unter den beteiligten Akteuren, zum entscheidenden Faktor für einen nachhaltigen Erfolg wird. Die Menschen in den Kommunen müssen einen Zugang zum Thema „Stärkung der Dorfzentren“ bekommen, dafür sind Maßnahmen zur Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung zu verfolgen.
Die Kommunen und Netzwerkpartner haben die Chancen, in Kooperation Bürgerinnen und Bürgern für den Mehrwert einer Stadtentwicklung zu sensibilisieren, die sich auf den Ortskerne besinnt und Kapital daraus zu bilden. Mit dem hessischen Ausspruch: „Mehr ‚Kreppel‘ – weniger Donut“ (im Sinne das bauliche und funktionale „Loch“ in den Ortsmitten zu vermeiden) muss den Bewohnerinnen und Bewohnern vermittelt werden, dass Ortsinnenentwicklung alle angeht. Hierfür sind Kommunen und Region als Partner gefragt: Mit einem „Kompetenzzentrum Innenentwicklung“ und einer „Dorfakademie“ werden zwei konkrete Instrumente vorgestellt, die diese Arbeit langfristig verankern.
» Volltext (PDF)In der Dorfentwicklung ist es schon lange kein Geheimnis mehr: Erfolgreiche Entwicklungsprozesse benötigen Menschen, die sich für ihr Dorf einsetzen, Initiativen und Projekte voranbringen und sich um die Belange ihres Lebensumfeldes kümmern. Um dieses Engagement wertzuschätzen und zu unterstützen, werden in den letzten Jahren in der ländlichen Entwicklung verstärkt Qualifizierungsmaßnahmen für sogenannte „Dorfkümmerer“ angeboten. Der Beitrag illustriert mit Praxisbeispielen verschiedene Modelle von Kümmerern und zeigt auf, wie Ehrenamtliche in der Dorfentwicklung weitergebildet und befähigt werden können, sich aktiv für die Entwicklung ihrer Kommunen einzusetzen.
Gleichermaßen gilt aber auch, dass Qualifizierungsmaßnahmen zur Unterstützung von ehrenamtlichem Engagement hilfreich sind, der eigentliche Erfolg eines solchen Ansatzes aber in der Anwendung des erworbenen Wissens in der Dorfentwicklung liegt. Denn Ziel ist es ja, weitere Impulse vor Ort auszulösen. Damit darf nicht nur den Schulungsmodulen selbst Aufmerksamkeit gezollt werden, vielmehr gilt es, auch die anschließende Zeit, beispielsweise durch den Aufbau eines Netzwerkes, sinnvoll zu begleiten.
» Volltext (PDF)Instrumente der Innenentwicklung sind vielseitig. Sie reichen von formalisierten Ansätzen des BauGB bis zu informellen Werkzeugen, die die Innenentwicklung über die gesetzlichen Vorgaben hinaus befördern sollen. Neben den bestehenden Instrumenten, wie dem Aufstellen von Bebauungsplänen, dem Abschluss städtebaulicher Verträge oder der Durchführung einer Bodenordnung, ergänzen neue Ansätze, wie das Ausloben von Wettbewerben das vorhandene Instrumentenportfolio. Die Frage bleibt jedoch, wie viele und wie zielorientiert diese Instrumente von den Kommunen wirklich eingesetzt werden können, um flächensparende Siedlungsentwicklung zu befördern – wie praxisrelevant und -tauglich die einzelnen Instrumente also sind und wie sehr sich Unterschiede zwischen den Kommunen in ihrem Einsatz zeigen.
Mittels qualitativer Interviews wurde analysiert, wie und warum welche planerischen Instrumente eingesetzt werden. Tatsächlich konnte festgestellt werden, dass es hinsichtlich des Umgangs mit den Instrumenten der Innenentwicklung räumliche Ungleichheiten gibt. Maßgeblich sind diese Unterschiede durch politische Schwerpunktsetzungen, finanzielle Mittel und die personelle Ausstattung der Kommunen bedingt.
Zudem wurde klar, dass es neben einem breiten formellen Instrumentarium zwingend der Anwendung von dialogorientierten Ansätzen bedarf, um Innenentwicklung auch nachhaltig qualitätsvoll betreiben zu können – das heißt unter anderem auch der interkommunale Austausch über Ziele, Entwicklungslinien und Strategien, denn grade der regionale Ansatz ist gewinnbringend für die kommunale Innenentwicklung. Diesen gilt es zukünftig noch weiter zu stärken.
» Volltext (PDF)Innenentwicklung in Kommunen zu gestalten kann nur gelingen, wenn viele mitmachen. Auch die Dorfgemeinschaften müssen die Innenentwicklung ihrer Orte als wichtige Aufgabe sehen und entsprechend vor Ort wirken. Dazu ist es notwendig, dass entsprechendes Wissen nicht nur bei professionellen Fachakteuren, sondern auch bei ehrenamtlich Tätigen und Bürgern vorliegt.
Unter dem Stichwort „Kümmerer“ (oder Dorfberater, Dorfaktive, Lotsen, Botschafter, etc.) wurden in der ländlichen Entwicklung in den letzten Jahren verschiedenste Ansätze erprobt, die sich mit der ehrenamtlichen Unterstützung der Dorf- und Kommunalentwicklung beschäftigen. Dies bedarf entsprechende Qualifizierungsangebote, die dazu beitragen, interessierte Bürger für ein Engagement in der Innenentwicklung zu qualifizieren und sie mit Gleichgesinnten in einem Netzwerk zusammenbringen. Die hier gewählten Prinzipien und Module lassen sich bundesweit in Kommunen einsetzen.
» Volltext (PDF)Kommunikation ist ein wichtiger Erfolgsfaktor zur Beförderung der Innenentwicklung. Und grade hier besteht Handlungsbedarf: Der Kommunikation zur Innenentwicklung muss in Zukunft ein größerer Stellenwert mit eigenen Ressourcen eingeräumt werden.
Eine gute Kommunikation zur Innenentwicklung gelingt aber nur dann, wenn sie zum einen in eine übergreifende Visionskommunikation in der Region eingebunden ist und zum anderen verschiedene Kommunikationsformate beinhaltet – dies vor dem Hintergrund, dass die Bürger und Akteure der Region jeweils auf unterschiedliche Formate ansprechen. Wie dies gelingen kann, lässt sich am Beispiel zeigen.
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