Im Gespräch: "Altersinnovationen"
Strukturwandel und Demographischer Wandel in der Lausitz
Alexander Elsner erläutert wie das Projekt „Altersinnovationen“ ältere Menschen in Citizen Science-Projekte einbindet

Auf der Fachkonferenz 2023 in Jena wurde noch einmal deutlich, wie komplex und vielfältig die Auseinandersetzung mit dem Strukturwandel ist. Kommunen sind unmittelbar mit dessen Auswirkungen konfrontiert, zudem finden auf kommunaler Ebene vielfältige Transformationsprozesse statt, die sowohl als Reaktion auf diesen Wandel als auch aus anderen Gründen initiiert wurden. Im Gespräch erläutert Alexander Elsner warum und auf welche Weise sich das Projekt „Altersinnovationen“ mit dem demographischen Wandel auseinandersetzt. Durch den Lausitzer Strukturwandel stehen die Kommunen Guben und Spremberg erneut vor großen strukturellen Herausforderungen, die demografische Alterung beider Kommunen berührt die elementaren Systeme zur Sicherung der Daseinsvorsorge.

 

M.A. Alexander Elsner Citizen Science Scoutt an der BTU Cottbus-Senftenberg,Verbundvorhaben "Altersinnovationen" (Kommunen innovativ)

Die Lausitz ist in vielfältiger Weise von Umbrüchen und Wandlungsprozessen betroffen. Auf welche Aspekte des demographischen Wandels fokussiert sich das Projekt und was ist hierbei der theoretische Zugang?

Die Lausitz war in der jüngeren Geschichte von einschneidenden Umbrüchen betroffen - durch die Grenzziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg und vor allem durch die wirtschaftlichen Folgen der deutschen Vereinigung für die Braunkohlewirtschaft, die die Region in jeder Hinsicht geprägt hat. Durch den für spätestens 2038 geplanten endgültigen Ausstieg aus der Kohleförderung stehen weitere Veränderungen bevor. Weil viele der Jüngeren die Region verließen, nahm der Anteil der Älteren zu. Wir stellen die älteren Menschen im Übergang aus dem Erwerbsleben in den Ruhestand (55+) in den Mittelpunkt und gehen davon aus, dass ihre kumulierten Erfahrungen aus der Bewältigung früherer Krisen auch Potenziale für die Gestaltung des aktuellen Wandels beinhalten. Besondere Chancen sehen wir darin, die Expertise der Älteren in bürgerwissenschaftliche Projekte unter Beteiligung von Wissenschaftler:innen aus der Universität einzubinden. Konkrete Zusammenarbeit von Bürgerschaft, Wissenschaft und kommunaler Verwaltung ist ein bisher wenig erprobter Ansatz partizipativer Gestaltung des Strukturwandels.

Damit Citizen Science-Projekte erfolgreich sind, braucht es eine rege Beteiligung. Wie ist es Ihnen gelungen, die Bewohner*innen hierfür zu gewinnen? Welche Strategie war besonders erfolgreich?

Über Strategien das Interesse der Bürger:innen zu gewinnen, haben wir im Laufe des Projektes immer wieder neu nachgedacht. Auf der einen Seite gibt es die Bürger:innen, die sich bereits früher in unterschiedlichen Formen in die Kommunen eingebracht haben. Sie zu überzeugen, auch an wissenschaftlichen Projekten mitzuarbeiten, war relativ leicht. Schwieriger war es, die Menschen zu erreichen, die Ideen, Expertise und Zeit haben, aber bisher noch nicht in gestaltende Prozesse eingebunden waren. Wir haben dabei zwei Strategien kombiniert: Informieren und persönlich überzeugen. Durch eine konstante Öffentlichkeitsarbeit in den Kommunen haben wir unser Projekt zum Gesprächsthema gemacht und im zweiten Schritt die Bürger:innen in kleinen Gruppen oder individuell angesprochen und von unseren Ansätzen überzeugt.
Besonders erfolgreich waren wir, wenn es gelang, die Interessen der Bürger:innen direkt in die von uns und Wissenschaftler:innen aus der Universität konzipierten Forschungsprojekte einzubeziehen. Zudem haben wir auch immer wieder niedrigschwellige, ergebnisorientierte Angebote gemacht. So konnten wir Bürger:innen binden und ihr Interesse und Engagement für langwierigere Forschungsprozesse sichern.

Erste Ergebnisse aus drei Erzählsalons mit älteren Menschen wurden bereits publiziert. Welches Erfahrungswissen der Teilnehmenden aus früheren Krisen kann im jetzigen Wandel weiterhelfen?

Die Erzählsalons waren eines der niedrigschwelligen Angebote, bei denen es darum ging, biografische Erzählungen unter den Gesichtspunkten des Strukturwandels zu sammeln und zu analysieren. Uns hat interessiert, welche Rollen Krisen in Biografien spielen, insbesondere auch die Wende und Nachwendezeit in der Lausitz, und wie diese Krisen bewältigt werden konnten. Hier gibt es sicherlich keine einheitliche Antwort, aber dennoch verallgemeinerbare Erkenntnisse, die wir gewinnen konnten. Dazu gehört zu allererst die Solidarität der Stadtgemeinschaft. Die Konsequenzen des Strukturwandels mögen individuell ganz unterschiedliche Ausprägungen annehmen, aber die Auflösung möglicher Krisensituationen ist vor allem über die Solidarität unter den Bürger:innen einer Stadt und über die daraus entstandenen Netzwerke gelungen. Wo Netzwerke fehlten, scheinen Krisen längere und tiefere Spuren in den Biografien der Menschen hinterlassen zu haben. Ein zweiter Eindruck betrifft die Veränderungsfähigkeit der Menschen. Diejenigen, die in der Krise bereit waren, alles hinter sich zu lassen, hatten bessere Chancen Neues zu erlernen, etwas aufzubauen und aktiv die Region mitzugestalten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass angesichts der aktuellen Herausforderungen einfach an diese Erfahrung der Veränderungsfähigkeit appelliert werden sollte, denn sie ist im Leben der Einzelnen keine unerschöpfliche Ressource. Durch vielfältige Einbindung in lokale/ regionale Netzwerke und Kooperation zwischen Kommune und Universität können jedoch positive Anknüpfungspunkte für einen optimistischen Blick in die Zukunft gestärkt werden.